„Disruptiv ist das, was Menschen besser gefällt als das, was sie vorher kannten.“ Amazon-Chef Jeff Bezos hat gut Lachen – der Pionier des modernen Online-Handels war im Oktober 2018 mit einem Vermögen von rund 146,8 Milliarden US-Dollar der reichste Mensch der Welt.
Manche Unternehmen haben derzeit weniger Grund zur Freude. Zu ihnen gehören beispielsweise die Batteriehersteller Duracell und Varta, denen auf Amazon gerade das passiert, was viele Markenartikler in ähnlicher Form auch auf sich zukommen sehen. Wer auf der Online-Verkaufsplattform nach Batterien sucht, erhält umgehend bestens bewertete Produktempfehlungen für preisgünstige AmazonBasics-Batterien. Um zu den etablierten Marken vorzudringen, müssen sich interessierte Kunden ein ganzes Stück nach unten durcharbeiten. Allerdings gilt das (noch) nicht für jedes Produkt – Amazon ist realistisch genug, nicht jede Marke durch eigene Alternativen vom Thron zu stoßen. Doch für Marken im Bereich der sogenannten Low-Interest-Produkte ist die Luft dünn geworden.
Digitalisierung steuert Kaufentscheidungen
Längst übernehmen digitale Systeme und deren Akteure eine steuernde Funktion. Als Gatekeeper entscheiden sie heute zunehmend darüber, welche Marken zu den Verbrauchern durchdringen. Dazu zählen digitale Verkaufsplattformen wie Amazon oder Zalando, Vergleichsportale für Versicherungen, Reisen, Energieversorger etc., Online-Lieferservices, reale Influencer oder virtuelle Sprachassistenten wie Alexa und Google Assistant. Auch wenn die Kaufentscheidung immer noch beim Verbraucher liegt – die Befürchtung ist nicht unbegründet, dass der Kunde früher oder später einfach das empfohlene Produkt nimmt, ohne diese Empfehlung lange zu hinterfragen. Insbesondere dann, wenn diese nicht mehr mit eigenen Augen angesehen, sondern vom Sprachassistenten genannt wird. Wer will schon lange zuhören? Convenience und Schnelligkeit haben auch hier die Nase vorn.
Droht also das Ende der Marken?
Neue Wettbewerber, neue Geschäftsmodelle, virtuelle „Verkaufsberater“ (Online-Handel, Vergleichsportale, Influencer etc.) – zweifellos stellt die Digitalisierung Marken vor große Herausforderungen. Etablierte Marken haben weniger „Kredit“ als früher, denn die Konkurrenz schläft nicht. Der Vertrauensvorschuss muss permanent seine Berechtigung nachweisen, und zwar auf allen analogen und digitalen Kanälen sowie sonstigen Touchpoints. Doch die digitale Transformation ist nicht schuld, wenn Marken sich nicht mehr durchsetzen können – sie offenbart nur ohnehin vorhandene Schwächen in der Markenführung. Thomas Strerath von Jung von Matt bringt es in seinem Horizont-Beitrag „Der Amazon-Crash“ (05.10.2017) auf den Punkt: „Es ist eben ein Unterschied, ob jemand eine Waschmaschine oder eine Miele sucht. Ein Produkt oder eine Marke. Und das entscheidet sich nicht auf Amazon, sondern vor Amazon.“ Was überdies oft übersehen wird: Google, Amazon, Alexa & Co. sind selbst Marken und damit klassische Wettbewerber.
Digitaler Darwinismus: Starke Marken überleben
Austauschbare Marken werden den digitalen Wandel vermutlich nicht überstehen. Wettbewerb hat es immer gegeben und er wird durch die Digitalisierung zweifellos noch härter. Doch starke Marken setzen sich auch dann durch – Menschen können und wollen nicht ohne sie sein. Sie machen Spaß, sie tragen zur Vielfalt bei und machen das Leben angenehmer. Für Hersteller wird es mehr denn je darauf ankommen, im digitalen und globalen Wettbewerb Profil und Präsenz zu zeigen, einzigartig und unverwechselbar aufzutreten. Produktstärken alleine können dies nicht leisten. Hier sind Marken mit einer emotionalen Positionierung und einem schlagkräftigen Markennamen gefragt. Auf ihm baut alles auf – er bleibt wie in der „guten alten Zeit“ das Zugpferd einer erfolgreichen Markenführung.
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