Indien will seine Sprache von kolonialen Einflüssen bereinigen und sich im Zuge dessen möglicherweise in Bharat umbenennen. Die aktuelle Diskussion zeigt, wie sehr Namen die eigene Identität repräsentieren – und damit automatisch auch hochpolitisch sind.
Die hindunationalistische Regierungspartei BJP unter der Führung von Premierminister Narendra Modi unternimmt derzeit viele Anstrengungen, sich von der kolonialen Vergangenheit zu distanzieren und den Nationalstolz zu fördern. Dabei ist für viele Nationalisten in dem mehrheitlich hinduistischen Land „Indisch sein“ gleichbedeutend mit „Hindu sein“.
Name als Ausdruck von Identität
Was also liegt aus dieser Perspektive näher, als Indien in Bharat umzubenennen? Bharat ist ein altes Sanskrit-Wort, das seit Langem als Synonym für Indien in der Verfassung und im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet wird. Es erinnert an einen hinduistischen König aus der Zeit vor Christus, der auf dem Gebiet des heutigen Indiens gelebt haben soll. Auch Indien ist ein historischer Name – er wurde allerdings im 18. Jahrhundert von den Briten übernommen, um das Gebiet unter britischer Kolonialherrschaft zu bezeichnen. Der Name geht auf den Fluss Indus (heute Sindhu) zurück.
Die britische Namenswahl bewog radikale Hindus in den letzten Jahren dazu, sich gegen den offiziellen Namen „Indien“ auszusprechen. Sie argumentieren, dass dieser Begriff ein Symbol der Unterdrückung sei.
Der G20 Gipfel, der kürzlich in Neu-Delhi stattfand, bot der Regierung nun die Gelegenheit, das Thema öffentlichkeitswirksam voranzutreiben. In den internationalen Einladungsschreiben wurde die Gastgeberin, Präsidentin Draupadi Murmu, nicht als Präsidentin von Indien, sondern als „Präsidentin von Bharat“ bezeichnet.
Namenskontroverse als Ausdruck der Spaltung
Allerdings gibt es im Land auch starke Vorbehalte gegen eine mögliche Namensänderung. Denn immerhin leben in dem multireligiösen Land auch Nicht-Hindus, die sich von Bharat nicht gleichermaßen repräsentiert fühlen. Oppositionspolitiker betonen zudem, dass der Name Indien international anerkannt sei und zu einer weltweiten modernen Marke geworden ist. Eine Umbenennung könne Verwirrung stiften und wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen.
Auch Sybille Kircher, geschäftsführende Gesellschafterin der Namensagentur Nomen, warnt vor den Folgen einer parteipolitisch motivierten Umbenennung: „Es ist absolut nachvollziehbar, wenn koloniale Namen in Frage gestellt und vielleicht sogar geändert werden. Namen sollten jedoch niemals als Instrument der Spaltung dienen. Stattdessen ist es wichtig, einen Namen zu wählen, der jenseits der Parteipolitik allen Bevölkerungsgruppen eines Landes gerecht wird und deren Einheit fördert.“
Andere Länder, andere Namen
Indien wäre nicht das erste Land, das seinen Namen ändert, um sich von seiner kolonialen Geschichte zu lösen. Sri Lanka hieß früher Ceylon, Thailand war einst Siam. „Die Debatte um die Namensänderung von Indien ist komplex und vielschichtig. Sie spiegelt die Bemühungen wider, die Identität und den Stolz eines Landes zu definieren, während es sich von seiner kolonialen Vergangenheit abwendet und eine neue Zukunft gestaltet“, resümiert Markenexpertin Sybille Kircher. „Ob Indien tatsächlich den Namen Bharat annimmt oder eine andere Lösung findet, bleibt abzuwarten, doch diese Diskussion wird zweifellos weiterhin die Gemüter bewegen.“
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