Wallbox statt Heimladestation, Tapas oder Antipasti statt Häppchen, Performance statt Leistung – vieles klingt in einer anderen Sprache einfach besser. Das Gleiche gilt für Markennamen: Oft ist die eigene Sprache bei der Namensfindung die uninteressanteste Quelle. Deutsch kommt hierzulande in der Regel nur dann in Betracht, wenn eine Marke ihre regionale Herkunft oder Verbundenheit unterstreichen will. Auch in anderen Ländern ist das Phänomen zu beobachten. Markenexpertin Sybille Kircher, geschäftsführende Gesellschafterin der Düsseldorfer Namensagentur NOMEN International, erklärt die Faszination hinter dem erlaubten Etikettenschwindel.
Viele italienische Modelabels verwenden Markennamen, die nicht italienisch klingen. Dabei ist italienisches Design weltweit begehrt. Verschenkte Chancen?
Nein, nicht unbedingt. Wir kennen das ja von uns selbst: Das Vertraute kann gerade bei Marken auch schnell langweilig und bieder wirken – es sei denn, die Botschaft ist ausgesprochen frech und provokant. Ich denke da beispielsweise an das deutsche Modelabel „Hüftgold“. Grundsätzlich ist es so, dass Markennamen auf Konsumenten umso attraktiver wirken, je ungewöhnlicher und fremder sie sind.
Warum denn eigentlich?
Im Grunde genommen geht es immer darum, sich mit der Markenwahl abzugrenzen und die eigene Persönlichkeit zu inszenieren. Ganz pauschal gesagt, wirken italienische Namen auf Italiener zwar vertraut, aber auch bieder, weil sie nichts Besonderes darstellen, sondern den Alltag, die Normalität, verkörpern. Auf uns im deutschsprachigen Raum hat das Italienische einen ganz besonderen Reiz, weil es trotz unserer Italien-Affinität etwas im besten Sinne Andersartiges und Fremdes hat. Wir verbinden damit Lebensfreude, Leichtigkeit, Schönheit, Genuss etc. Also das, was im stressigen Alltag womöglich zu kurz kommt. Und deshalb lieben wir das, was italienisch klingt. Aber in jedem Land läuft in puncto Marken ein anderes „Kopf-Kino“, da werden sozusagen anderssprachige Filme bevorzugt.
Welche Rolle spielt das Englische bei der Namensfindung?
Englisch hat nun mal einen unschlagbaren Coolness-Faktor. Nicht nur in Italien, sondern weltweit. Englisch gilt als innovativ, international, jung, angesagt und unkompliziert. Auch bei NOMEN entstehen häufig auf Wunsch unserer nicht-englischsprachigen Kunden englische Namen, wie z. B. Handpicked für Luxury Denim Jeans oder Pull Love für eine Pullover-Marke, die Strickwaren aus Wolle oder Baumwolle in verschiedensten Farben und Designs anbietet. Menschen in aller Welt sind gegenüber der englischen Sprache sehr aufgeschlossen und „schmücken“ sich gerne damit. Andererseits sollte man bei Markennamen niemals eine Regel aufstellen, denn am Ende geht es immer darum, besonders einzigartig zu sein und sich von den Wettbewerbern abzuheben.
Welches Image hat Deutsch im Ausland?
Ein sehr gutes. Die Vorstellung von der „guten deutschen Wertarbeit“ und die „deutsche Ingenieurskunst“ sind in den Köpfen vieler Nationen fest verankert. Deshalb haben deutsche Namen im Ausland seit jeher einen hervorragenden Ruf. Das geht bis hin zu deutschen Pseudomarken – also Marken, die deutsch klingen, aber nicht aus Deutschland stammen. So sind beispielsweise in Russland die vermeintlich deutschen Traditionsmarken „Kaiser“ für Haushaltsgeräte, „Erich Krause“ für Schreibwaren oder „Thomas Münz“ für Schuhe sehr beliebt. Tatsächlich sind die Markeninhaber aber russische Unternehmen.
Gibt es ein Patentrezept für den perfekten Namen? Wie geht man bei der Markenentwicklung idealerweise vor?
Die Beispiele zeigen, wie stark die Namensgebung die Assoziationen und am Ende sogar das Verhalten der angesprochenen Zielgruppen steuern kann. Der Name steht zudem immer im Mittelpunkt der Kommunikation und ist somit eines der wichtigsten und langlebigsten Marketing-Instrumente. Die richtige Herangehensweise: Erst die emotionale Positionierung der Marke definieren und dann einen Namen finden, der genau das widerspiegelt. Wichtig ist, dass er einzigartig und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten ist. Ob der Name aus dem Deutschen, Englischen oder einer anderen Sprache kommt, hängt von der zugrundeliegenden Markenstory ab.
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